Mitte August standen vier hoch motivierte, sportliche Teilnehmer mit erster Hochtourenerfahrung in Saas-Grund an der Talstation der Bergbahn, um fünf Tage freie Zeit am Berg gemeinsam zu verbringen. Zur Auswahl standen der Klettersteig oder das Klettern von Mehrseillängen am Jegihorn und Hochtouren auf die beiden 4000er Lagginhorn und Weissmies.
Nach der langen Autofahrt entschieden wir uns am ersten Tag, bei strahlendem Sonnenschein, für den dreistündigen Aufstieg mit gut tausend Höhenmetern zur Weissmieshütte samt allem Gepäck, um ein wenig hineinzukommen. Belohnung waren Kaffee und auf der Hütte gebackener Kuchen mit Zwetschgen, Rhabarber oder Aprikosen und Sahne, wer mochte.
Das Wetter war leider sehr wechselhaft angesagt.
Am zweiten Tag vor Ort aber gut. Entgegen dem gemeinsamen Wunsch aus dem Vortreffen, heute den Klettersteig zu gehen, führte unser Weg auf das felsige und oben eisige und verschneite, harschige Lagginhorn (4010 m). Die Wegfindung erfolgte deswegen umso freier durch das Gelände, je näher wir dem Gipfel kamen. Durch Blockgelände, mit einer kurzen Passage mit Steigeisen. Was für eine Leistung, mit rudimentärer Höhenanpassung am Vortag! Für einige Teilnehmer ihr erster 4000er.
Tag drei stand im Zeichen von Regen und Schnee ab dem Mittag. Nach kurzer Diskussion wurden wir uns einig, dass aktive Erholung besser ist als ein reiner Hüttentag. Zum Gletscher zu wandern und dort einen kleinen, flexiblen Kurs für die Gehtechniken mit Steigeisen und die Verwendung des Pickels durchzuführen war, nach dem Feedback der Teilnehmer, eine sehr gute Idee. Zunächst ging es ins flache Gelände, dann steiler, nur noch auf den Frontzacken der Eisen und zwingend mit Pickel, hinauf und hinab, an einer Eisflanke. Zuletzt gesichert am Seil von oben. Testen, wie und wofür die Ausrüstung funktioniert.
Der vierte Tag, mit Niederschlag ab dem Mittag, war unsere Option auf den Weissmiesgipfel. Unser Zeitfenster war eng und das Frühstück deswegen zeitig, um drei Uhr morgens. Pünktlich in der ersten Dämmerung standen wir, nach Zustieg- und Stirnlampenwanderung durch das Spaltenlabyrint des Triftgletschers, in völliger Einsamkeit und Nebeldunst am Fuß der Séracs. Hier beginnt die Tour richtig. Nach kurzer, offener Diskussion entschieden wir uns an dieser Stelle für den Abbruch mangels Sicht, durch dichten Nebel und Wolken, bis hinauf zum Gipfel.
Also Heimreise am nächsten Tag, ohne das geplante Highlight der wunderschönen, auch fordernden Tour auf das Weissmies?
Am fünften Tag am Berg mussten zwei Teilnehmer aufgrund privater Verpflichtungen leider wie geplant tatsächlich absteigen ins Tal um gemeinsam die lange Heimreise anzutreten. Diese Abreise war die Planung gemäß Tourenausschreibung.
Jedoch war genau für diesen Tag die Wettervorhersage nahezu perfekt, ohne Niederschlag, wie an den Vortagen, und nur bedeckt oder bewölkt. Also zumindest ein Gipfel im Wolkennebel möglich statt kein Gipfel?
Erst fünf Uhr brachen wir, nunmehr nur noch zu dritt statt zu fünft, auf, um mehr Licht am Gletschereinstieg als am Vortag zu haben. Der Einstieg in die Sèracs halb acht war eisig gefroren, also gute Bedingungen. Hinauf ging es über einige ins Eis geschlagene Stufen und zwei schmale, steile Spuren diagonal durch die Flanke. Hohe Konzentration, aber absicherbare Passagen. Dann folgte der Weg durch die Wolken. Nebel, Nässe und Kälte. Mäßiges Whiteout. Aber eine klare Spur und weitere Seilschaften, auf dem Weg nach oben. In der vorletzten Firnflanke vor dem Gipfel passierte dann das Wunder: wir traten aus den Wolken auf vom Neuschnee in der Morgensonne glitzernde Schneeflächen, unter uns das Wolkenmeer. Der Wind wehte glitzernde Schneefahnen über den Grat. Im steilen Gipfelanstieg dann ein freudiges Hallo mit den beiden Katalanen von unserer Hütte, die noch nie auf so großen Gletschern waren. Unsere letzten Schritte zum Gipfel waren steil und anstrengend, aber wunderbar. Um zehn standen also zwei Teilnehmer und ein Tourenleiter sehr glücklich auf dem höchsten Punkt des Weissmies, 4017 Höhenmeter über Null. Emotionaler Handschlag auf den Erfolg und Gipfelfoto. Pause in der warmen Sonne.
Der Abstieg forderte nochmals volle Konzentration, erfolgte aber im reinsten Sonnenschein. Und endete mit gemeinsamen Bier, Philosophieren über die gemeinsamen Erlebnisse der letzten Tage, beim Blick auf die Berge, mit Mönch, Alphubel und Allalin.
Text und Bilder: Tom Mühle