MANNHEIM
Topfeben – von wegen !
Ein Er-Wanderungsbericht über die beiden Hütten unserer Sektion im Rätikon.
Ende August war es soweit. Terminkalender und Wettervorhersage ließen es endlich zu, einen lang gehegten Wunsch Realität werden zu lassen. Nämlich als Mitglied der Mannheimer Sektion des DAV die beiden vereinseigenen Hütten in Vorarlberg zu besuchen. Ganz auf individuelle Mobilität verzichtend, machte ich mich an einem Freitag Vormittag vom Mannheimer Hauptbahnhof auf den Weg. Nach zwei Umstiegen mit der Eisenbahn kam ich pünktlich am Bahnhof Bludenz an und fuhr mit dem 81er Landbus bis zur Haltestelle Palüdbahn in Brand. Fahrzeit insgesamt 5 ½ Stunden. Mit etwas Pech kann man mit dem Auto für diese Strecke die gleiche Zeit benötigen. Das Wetter war bestens und so begann der Anstieg zur Oberzalimhütte unmittelbar nach Verlassen des Busses. Dass es unserer Sektion gelungen ist, die Haltestelle direkt an den Beginn des Wanderweges zu legen, ist eine Bemerkung wert!
Nun denn, die ausgeschilderten 2 ¾ Stunden Gehzeit waren Motivation genug, los zu legen. Über den Fahrweg ging es durch eine herrliche Alpenlandschaft stetig hinauf. Die leuchtenden Wiesen, dunkle Tannen, ein idyllischer Bergbach und das tolle Panorama spornten an, gen Talende zu streben. Immer wieder wurde ich von den zahlreichen Kälbern kritisch beäugt, die den saftigen Almen klingelnd Kräuter und Gräser entlockten oder sich mitten auf dem Weg postiert hatten. Nach knapp 3 Stunden und rund 850 überwundenen Höhenmetern gelangte ich an der Oberzalimhütte (1.889 m) an, wo ich sehr freundlich von Hüttenwirtin Sandra begrüßt wurde.
Die Oberzalimhütte ist ein echtes Schmuckstück und erinnert in der Ausstattung eher an ein gemütliches Hotel, als eine Berghütte. Insbesondere die Sanitäranlagen sind herausragend und die Gaststube lädt zum Verweilen ein. Vielen wird es schwer fallen, von dort spätestens um 22.00 Uhr aufs Zimmer gehen zu müssen.
Ausgeschlafen, frisch geduscht und gut am Frühstücksbuffet gestärkt, machte ich mich mit meinen am Samstag Vormittag dazu gestoßenen Bergkameraden auf zur Mannheimer Hütte. Wir wählten den Aufstieg über den bekannten Leibersteig. Angesichts des sonnigen und trockenen Wetters war er gut begehbar, wenngleich man stets auf der Hut sein sollte. Fehler verzeiht dieser Steig kaum. Und bei nasser Witterung ist er mit allergrößter Vorsicht zu genießen. Nach rund 2 ½ Stunden Aufstieg erreichten wir den „höchsten Punkt Mannheims“, die Mannheimer Hütte. Sie ist zugleich die höchste Hütte im Rätikon. Schon beim Eintreffen wurde schnell klar: Wohl dem, der sich zuvor ein Bett im Zimmerlager reserviert hat. Denn die Hütte wurde sehr zur Freude von Hüttenwirt Loisl richtig voll, selbst im Matratzenlager war alles belegt. Wem menschliche Lärm- und Geruchsemissionen nichts anhaben können, der ist hier genau richtig. Allen anderen empfehle ich einen Platz im Zimmerlager.
Der beeindruckende Ausblick über den (deutlich geschrumpften) Brandner Gletscher auf die majestätische Schesaplana kann einen schnell dazu verleiten, den Beginn des Abendessens pünktlich um 18.00 Uhr zu versäumen. Sinkende Temperaturen und der Duft der leckeren Schweinshaxe haben mich dennoch bewogen, in die heimelige Gaststube einzutreten. Loisl (Alois Eitel) hatte mit seinem Team ein 3-Gänge Menü gezaubert und binnen kurzer Zeit alle Gäste versorgt. Dieses Tempo wünschte man sich in manchen Hotels. Dies ist Gastronomie auf hohem Niveau, nämlich fast 3 Kilometer über dem Meer (2.679 m) !
Als Mannheimer Lokalpatriot fühlt man sich sofort daheim, wenn man die Hütte betritt. Überall hängen Bilder aus der Heimat. Wasserturm, Friedrichsplatz, Schloss und das Mannheimer Stadtwappen im Gastraum sorgen schnell für Heimatgefühle.
Die steigende Temperatur in der Stube musste durch das eine oder andere kühle Bier erträglicher gemacht werden. Doch gegen 21.40 Uhr, als der Lärmpegel auf seinem Höchststand war, wurde Loisl zum Stimmungstöter und erinnerte die gut gelaunten Gäste an die nahende Nachtruhe. Obwohl er schon ausreichend Autorität ausstrahlte, um den Zapfenstreich durchzusetzen, kam auch noch der respektable Hüttenhund herbei und unterstrich die Ernsthaftigkeit seiner verordneten Stilllegung. Und tatsächlich wurde es nur rund 30 Minuten nach Loisls Ankündigung richtig ruhig im Haus. Davon träumen viele Eltern nur, auch der Unterzeichner…
Der Wettergott meinte es wirklich gut mit uns. Während es in der Nacht ordentlich schüttete, verzogen sich am nächsten Morgen nach und nach die Wolken. So konnten wir uns nach dem vielfältigen Frühstück auf den Abstieg machen. Dieser führte uns über den Brandner Gletscher zur Schesaplana. Während meine Kumpels den Gipfel der Schesaplana aus der Nähe betrachten wollten, reichte mir dessen gelegentliche Betrachtung, sobald er sich aus den Wolken befreien konnte. Mich führte der Abstieg über den Südwandsteig, der mich zu Beginn auch etwas Überwindung und Körperbeherrschung kostete. Die erreichte Totalphütte konnte Kräfte stärkend genutzt werden, ehe der weitere Abstieg fortgesetzt wurde. Es passte zur Tour, dass erst jetzt leichter Regen einsetzte. Erst am Ende der Wanderung konnte der Himmel seine Schleusen nicht mehr halten. Bis dahin hatten wir viel Spaß in dieser wunderschönen Bergwelt, dem der malerische Lünersee noch das Häubchen aufsetzt.
Fazit: Der Besuch der beiden Hütten der Sektion Mannheim lohnt sich. Mitbringen sollte man hierzu Kondition und zumindest für die Mannheimer Hütte alpine Bergerfahrung. Mein leichter Muskelkater an den Tagen danach ermahnte mich, mal wieder mehr „Gehungen“ als Sitzungen wahrzunehmen. Das tolle Erlebnis erhöht jedoch die Wiederholungsgefahr. Danke an alle Helfer der Sektion, die solche Touren erst möglich machen!
Steffen Ratzel, Stadtrat in Mannheim
Übernommen aus Alpen im Quadrat (Mitteilungen der Sektion Mannheim) 1/2014