Schneeschuhwanderung im Kleinwalsertal – aus der Sicht eines Anfängers
“Schneeschuhe? Das sind doch diese tennisschlägerartigen Dinger, die man sich an die Füße schnallt, um besser im Tiefschnee laufen zu können?! Klar bin ich dabei!”
Als mich ein bergbegeisterter Kumpel fragte, ob ich mit ihm an einer Schneeschuhwanderung teilnehmen wolle, war mir sofort klar: Das will ich sehen! Als typischer Bergsporttouri, der es gewohnt ist, Berggipfel im Sitzen zu erreichen und sich oben angekommen erstmal gemütlich eine heiße Schokolade zu gönnen, wollte ich diesen sportbetonteren und für meine Begriff e etwas survivalmäßigeren Teil des Bergsports unbedingt auch mal kennenlernen. Passend dazu veranstaltete der DAV-Mannheim im Februar 2013 eine Schneeschuhwanderung im österreichischen Kleinwalsertal.
Für einen durchschnittlichen Sportler wie mich, war die als “Anfängertour mit Ausbildungscharakter” beschriebene Wanderung genau die richtige Gelegenheit, mich am Bergsport zu versuchen, ohne direkt ans körperliche Limit gehen zu müssen. Unsere Gruppe bestand jedoch keineswegs nur aus Anfängern. Vom absoluten Neuling bis zum hartgesottenen Bergveteranen war von jedem Schlag etwasdabei. Trotz dieser großen Erfahrungsunterschiede harmonierte die Gruppe von Anfang an gut, sodass sich direkt ein angenehmes Gemeinschaftsgefühl einstellte. Einzig Befürchtungen um schlechtes Wetter trübten unsere Laune ein wenig. Doch diese sollten sich bei der Ankunft vorerst zerstreuen.
Bei strahlend blauem Himmel und angehmer Kälte kamen wir im Kleinwalsertal an. Nach dem ersten langwierigen Anschnallen der Schneeschuhe machten wir uns auch gleich auf den Marsch in Richtung Schwarzwasserhütte. Auf meine ersten Gehversuche im Tiefschnee folgte sofort der erste, und bei weitem nicht letzte kleinere Sturz. Mit den überdimensionierten Schuhen an den Füßen und den unbeholfenen, wackligen Schritten müssen meine Bewegungen äußerst goofyeske Züge gehabt haben. Doch zum Glück sorgt Schnee in der Regel für sanfte Landungen, sodass ich nie über blaue Flecken zu klagen hatte. Überhaupt wird der Begriff Sturz dem Ganzen nicht so wirklich gerecht. Treff ender wäre es wohl von einem unfreiwilligen Hinsetzen zu sprechen.
Wie dem auch sei… Nachdem Cillie mich auf die Beine gerichtet hatte, war ich um zwei Erfahrungen reicher: 1. Kleine Schritte verhindern Kontrollverlust, und 2. Schnee in der Hose ist nicht so lustig, wie es sich anhört. Doch aller Anfang ist schwer und Übung macht nunmal den Meister. So kam es, dass ich meine Gedanken bereits kurze Zeit später erstmals weg von meinen Schritten und hin auf die mich umgebende Landschaft richten konnte: Bei schönem Wetter, vorbei an einem zugefrorenen Bergsee, der die knapp oberhalb der verschneiten Gipfel stehende Sonne wiederspiegelt – dieses Szenario ließ für die kommenden Tage Gutes erhoffen. Doch nun sollte zunächst die, meiner Meinung nach, anstrengenste Etappe der gesamten Tour folgen: Nachdem wir einen Teil unseres Gepäcks in einem Lastenlift abgeladen hatten, ließen wir innerhalb einer knappen Stunde gute 300 Höhenmeter unter uns. Und wieder war ich um eine Erfahrung reicher: bereits 300 Höhenmeter können brutal sein.
Schließlich kamen wir jedoch alle wohlbehütet an der Schwarzwasserhütte an. Über diese gibt es im Grunde nicht viel zu sagen: gut und gemütlich eingerichtet, sehr gutes Essen (auch für Veggies!) und kompetentes, wenn auch saisonal bedingt, ziemlich gestresstes Personal. Der Aufenthalt dort gestaltete sich als rundum angenehm.
Nun folgten noch erste Übungen mit den Lawinenverschüttetensuchgeräten, da diese in den nächsten Tagen unsere ständigen Begleiter und im Ernstfall unsere Lebenversicherungen darstellten. Anschließend richteten wir uns ein und ließen den Tag bei Essen, Getränken und Unterhaltungen ausklingen. Günter und Cillie gewährten uns erste Einblicke über die Planung der kommenden Tage und ließen uns an ihren Erfahrungen, sei es beim Kartenlesen oder dem Umgang mit den LVS-Geräten, teilhaben.Schließlich sollte für mich ein weiteres Highlight folgen: Die erste Nacht in einem Matratzenlager mit circa 25 Personen. Auf Anraten meiner Gruppenmitglieder hatte ich mir hierfür extra Ohrstöpsel besorgt, um das Schnarchen der Menge etwas abzudämpfen. Doch es war ein ganz anderes Geräusch, das meine Ohrenstöpsel letztendlich so gut wie nutzlos machte: Wie ein einziges endloses Donnergrollen, rollte das Schnarchen der Berge über das Dach der Schwarzwasserhütte. Dieser Klang ließ auf starke, kalte Winde und Schneeverwehungen schließen. Es blieb nur zu hoff en, dass sich die Wetterlage über Nacht etwas bessern würde.
Der Morgen danach: Hoff nungsvolle und gespannte Blicke aus dem Fenster. “Wird das Wetter mitspielen? Hm, nichts zu erkennen, erstmal den Beschlag wegwischen!” – Ernüchterung. Der Beschlag war kein Beschlag, sondern dichter Nebel, der mit seiner Nasenspitze ebenso nah ans Fenster gerückt sein musste wie ich und mir so hämisch ins Gesicht grinste. Das Wetter spielte also nicht mit. Und so sollte es auch während unseres gesamten Aufenthalts bleiben. Längere Touren waren also so gut wie unmöglich. Auch wenn der Rücken des Steinmandls mit seinen geschwungenen Linien lockte, mussten wir, aufgrund der zu hohen Lawinengefahr und der wenigen hundert Meter Sicht auf alle geplanten Touren verzichten. Dazu passend ein Gedicht, das auf ein Holztäfelchen in der Schwarzwasserhütte gebrannt ist:
Umkehr
Wie oft bist Du am Berg schon umgekehrt?
Es war nicht Feigheit, was der Berg Dich lehrt.
Fällt auch dem Leichtsinn noch ein Gipfel in den Schoß,
doch in Verzicht zeigt sich der Meister groß.
Solang Du lebst, führst mit Dir selbst Du Krieg,
sich selbst bezwingen, ist der schönste Gipfelsieg.
(Unbekannt)
Befürchtungen, die nächsten Tage könnten womöglich mordslangweilig werden, kamen in mir auf. Doch dazu kam es nicht. Denn zu unser aller Glück hatten wir ja Cillie und Günter, die sich zu keiner Zeit entmutigen ließen und viele Wege fanden, uns trotz des miserablen Wetters rund um die Uhr zu beschäftigen. So wurde der Bereich rund um die Schwarzwasserhütte zu unserer persönlichen Spielwiese. Wir gruben eine kleine Höhle und ertasteten mit unseren Lawinensonden durch Höhlendecke die Körper der Anderen. Außerdem bekamen wir ausgiebig Gelegenheit unsere Lauftechnik zu verbessern, um so weitere unfreiwillige Sitzeinlagen zu vermeiden. Und das Wichtigste: Wir erprobten unser Geschick im Umgang mit den LVS-Geräten, was im Ernstfall von größtmöglichen Nutzen ist. In einer simulierten LVS-Prüfung schnitten wir schließlich auch alle ganz ordentlich ab. Und wer am Ende des Tages immer noch zuviel Energie hatte, dem bot Günter die Gelegenheit, sich beim zügigen Marschieren durch das Gebiet rund um die Hütte zusätzlich noch ein wenig auszupowern. In Staffeln wechselten wir uns hierbei fliegend ab, sodass es Gerüchten zu Folge sogar zur Bildung einzelner Schweißperlen auf Günters Stirn gekommen sein soll (!).
Bei solch passioniertem Einsatz und Einfallsreichtum bleibt abschließend nur Gutes über die Schneeschuhtour zu sagen: Trotz widrigster Umstände wurde es nie langweilig oder war für einen Anfänger zu anstrengend oder gefährlich. Ich habe die Zeit sehr genossen und wäre jederzeit wieder dabei!
Fabian Löchinger
Übernommen aus Alpen im Quadrat (Mitteilungen der Sektion Mannheim) 2/2013
[osm_map lat=“47.346″ lon=“10.154″ zoom=“13″ width=“600″ height=“450″ ]