Aus Monnem über die Pfalz direkt ins Herz der Monterosa
Das Dahner Felsenland, ohnehin eine Region, die eine Reise wert ist, bietet mit ihren beeindruckenden Sandsteinformationen, malerischen Täler und dichten Wäldern unserer Gruppe eine hervorragende Kulisse um uns weiter auf unser Projekt Mein erster 4.000er‘ vorzubereiten.
Unserem Ziel, den Aufstieg auf die Signalkuppe mit ihren satten 4.554 m in der Monterosa gut zu meisten, kommen wir an diesem Wochenende im Mai ein ganzes Stück näher.
Immerhin haben wir fast zwei volle Tage Zeit für neue Inhalte, Erkenntnisse, Wiederholungen und um uns näher kennen zu lernen. Unser erfahrener Ausbilder Wolfgang Engelter leitet uns an – mit seiner Expertise und Leidenschaft.
Völlig unerwartet entdecken wir dabei weitere, ungeahnte Talente in unserer bunten Gruppe.
Auf unserer Agenda für diese Tage stehen eher theoretische Themen: alpine Wetterkunde, erste Hilfe und Rettung in den Bergen. Gut also, daß unser Ausbilder auch weiß, dass das Lernen über die Natur am Besten in der Natur geht und wenn es dabei regnet, dann ist das bestenfalls ein Anwendungsfall aber noch lange kein Grund zur Flucht.
Nachdem wir also an diesem Samstag Vormittag allesamt und mit weiteren drei Gästen die Ludwigshafener Hütte bezogen haben und alles gut verstaut ist, starten wir unsere erste Ausbildungswanderung auf dem Napoleon-Steig.
Die ersten Kilometer liegen hinter uns, der Kopf hat die Anreise vergessen und ist angekommen, da geht es auch schon los. Wolfgang präsentiert uns Maßzahlen zur Masse der Luft, die auf uns alle wirkt – sei es über unserem Kopf, auf unseren Körper oder auch die gesamte Körperfläche. Da rauchen die Köpfe recht schnell und dem ein oder anderen entfährt ein staunendes Ohhhhh.
In jedem Fall wird jedem unmißverständlich klar:
auf der Signalkuppe da droben herrschen andere physikalische Gegebenheiten, die man kennen sollte um zu verstehen was passiert, mit uns und um uns herum.
Im Laufe unserer Wanderung auf dem Steig hören wir noch viel über Nord-, Ost- und Westlagen, Hoch- und Tiefdruckgebiete, deren Drehrichtung in unserer nördlichen Hemisphäre und die Implikationen für uns; vor allem dann zu verstehen, wenn wir eine wichtige Bergtour planen. Wir haben kaum die Eckdaten und Information zu Luftdrücken, Winden und Sonnenenergie verarbeitet, als unsere Anja in der Gruppe zurückfällt und recht schnell klar ist, dass sie mit einem verstauchten Knöchel aus eigener Kraft nicht mehr weitergehen kann. Ein Szenario, das auf Bergtouren nicht unwahrscheinlich ist und woran wir uns jetzt in einer Trainingssituation ausprobieren können.
Dabei sind wir echte Glückspilze, denn in unserer 17 köpfigen Gruppe finden sich gleich drei Mediziner, die uns mit all ihrem Wissen begleiten:
Danke Maren, Khoi und Timo! Jetzt heißt es also erstmal mit einer Notfallsituation klar zu kommen und obgleich noch recht langsam und unkoordiniert, schätzen wir die Situation korrekt ein und tragen Anja am Ende auf einem mit Hilfe unserer Wanderstöcke gebautem Konstrukt zurück zur Hütte.

Notfallübung mit dem Biwaksack
Über die zwei Ausbildungstage hinweg setzen wir uns noch mit vielen weiteren leichtern und schwereren Krankheitsbildern und Bergrettungseinsätzen wie Unterkühlung, Höhenkrankheit, Dehydration, Erschöpfung, Hitzschlag, Sonnenstich, Bewusstlosigkeit und Panikattacke aktiv auseinander. Immer überrascht von den schauspielerischen Fähigkeiten unserer Kamerad innen und immer sehr professionell begleitet von ‚unseren Medizinern‘, die nicht müde werden uns einzuführen in Fachbegriffe und Griffe, Schemata und Methoden zur Einschätzung und Behandlung von Notfall-Patienten oder einfach empathische und ruhige Umgangsmethoden mit Menschen, die an ihre Grenzen gekommen sind.
Ergänzend zur medizinischen Sichtweise erläutert Wolfgang die Struktur der Verfahren, die für jedes Teammitglied im Falle eines Notfalles abrufbar sein müssen. Ob zur Absicherung der Umgebung für Patienten und Retter oder zur Einleitung eines effizienten Rettungsprozesses – egal:
das Team muss geführt werden, sich auf die Führung verlassen können und sich am Ende auch führen lassen.
Wenngleich das Thema ‚Bergrettung‘ an diesem Sonntag eindeutig mehr Raum einnimmt, hören wir auch an diesem Tag beeindruckt zu, als Wolfgang erzählt über die Gletscher der Alpen, deren Veränderungen in den letzten Jahrzehnten, dem Schicksal des Hochvogels und dem Abbruch der Marmolada. Dabei macht er auch Naturkatastrophen der Gegenwart, wie den Geröll- Lawinenabgang in der Schweiz, zum Thema. Er analysiert klar, erklärt an den Beispielen die Konsequenzen der Klimakatastrophe und geht auf alle Einwände und Fragen der Teilnehmenden geduldig ein.
Die Redewendung, die Wiederholung ist die Mutter allen Lernens‘ stammt vermutlich nicht aus der Knotenkunde, allerdings aber scheint unsere Hochtourenseilschaft diese Weisheit verinnerlicht zu haben. Zu Sven’s Knotenquiz beim abendlichen Beisammensein in unserer Selbstversorgerhütte jedenfalls werden
in teilweise atemberaubendem Tempo Sackstich, Weberknoten, Spierenstich, Achterknoten, doppelter Bulin, assymetrischer Führerknoten, Prusik, Schmetterlingsknoten und Mastwurf fabriziert
und das unter militärischen Zeitvorgaben und den jetzt doch recht wohlwollenden Blicken unserer beiden Trainer Wolfgang und Diana. Vielleicht liegt das aber auch einfach nur an der guten Verpflegung, denn das vietnamesiche Buffet mit so vielen unterschiedlichen Gerichten und Köstlichkeiten, die Khoi für uns gezaubert hat, läßt so oder so kein Platz für schlechte Stimmung. Wenn wir also jetzt auf die letzten Monate zurückblicken, sind wir selbst beeindruckt von unseren Fortschritten.
Die Teamdynamik ist, vor allem nach den intensiven Tagen im Dahner Felsenland, stark und die Vorfreude auf die Tour wächst. Ende Juli werden wir zeigen können, wie gut wir vorbereitet sind, wenn wir uns in die Höhe der Monterosa Gruppe jenseits der 4000 wagen.
Herzlichen Dank an unsere Trainer und alle, die zum guten Gelingen der Ausbildungstage beigetragen haben.
Text: Silvia Berens
Bilder: Alle Teilnehmer